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Aus Michael Crügners „Chymischer Frühling“, 1654

Michael Crügner war einer der großen, in paracelsischer Tradition stehenden, spagyrischen Heilkundigen, der Mitte des 17. Jahrhunderts in Dresden wirkte, und seiner Nachwelt ein voluminöses Schriftwerk hinterließ, dessen einige Bände (wie der „Chymische Sommer“, der „Chymische Tannenbaum“ und der „Chymische Garten-Bau“) als Grundlagenstudien der insbesondere in den abendländischen Traditionen der Heilkunst Lernenden, Forschenden oder Praktizierenden unentbehrlich sind.

„Die rechte Edle Chymia aber ist eine Kunst, die rechten natürlichen Körper in diejenigen, aus welcher sie natürlicherweise zusammengesetzt, zu solvieren, resolvieren, und die resolvierten rein und stark zu machen, daß sie jedem Medico nützliche Remedia geben, oder zu den Perfectionibus und Transmutationibus der Metalle dienen.                                                                   

Welche sagen, daß die Chymia eine Kunst sei, das Purum ab Impuro zu separieren, die reden gar zu generaliter. Denn indem ein Pharmacopaeus die Wurzeln von dem Unflat reinigt, dieselben wäscht, und den ausgepreßten Saft im Sieden abschäumt, durchseiht und Säfte clarificiert, so ist er doch nicht alsbald ein Chymicus: Denn obgleich ein Chymicus dasselbe auch nicht außen läßt, endet sich jedoch sein Fleiß in denselben gemeinen Operationibus nicht, sondern was er weiter tut, und nicht nur die äußerlichen Unreinigkeiten absondert, sondern auch zu dem Innerlichen dringt, und die natürlichen Corpora composita in diejenigen dissolviert, daraus sie gemacht sind, und deroselben Partes separiert, wie auch das Nützliche von dem Unnützlichen absondert, indem er Insonderheit pureficiert, alteriert, perficiert und exaltiert, und ganz und gar kräftig macht. Auch dieselben, wenn es vonnöten, wiederum componiert. Daher erscheint, daß entweder gar nicht, oder nur ein wenig, die Chymia mit der alten oder neuen Dogmaticorum Praeparationibus Gemeinschaft habe.“

Essentialis und Formalis:

„Ferner die Hermetici erforschen durch die Phytognomia der innerlichen und äußerlichen Kräfte die Signatur, welche ist entweder innerlich oder äußerlich. Die innerliche ist, welche eines Dinges Substanz und innerliche Wirkung anzeigt, bisweilen auch zu temperieren. Die äußerliche Phytognomia begreift in sich erstens die Signaturen der Menschen …

Die innerliche Signatur ist das Principium, Causa und Fundament, welches die Kräfte und die Tugend eines Dinges anzeigt, und wird genannt Philosophia oder Anatomia Vitalis.

Solcher innerlichen Principia sind drei: Sal, Sulfur und Mercur. In diesen drei Hypostaticis und Virtualibus Principiis werden die Qualitates, das ist: der Geschmack, Geruch und die Farbe nicht durch Einbildung verglichen oder durch Mutmaßung, sondern wahrhaftig, und in der Wirkung befunden, nämlich die Sapores, vornehmlich im Salz die Odores, in Sulfur die Colores, aus beiden, aber vornehmlich aus dem Mercurio (der Geschmack). Diese drei werden in einem jeglichen Elementierten Corpore durch besondere Kunst gefunden und bringen dasselbe hervor, erhalten und bewegen dasselbe, und machen es unterschiedlicher Weise kräftig. Auch wird keines unter denselbigen drei Principiis einfach so oder allein gefunden, welches auch nicht von einem andern participiert, denn das Sal begreift in sich eine ölige und mercurialische Substanz, durch Hilfe der andern zwei Salze, des Nitrosischen und Armonischen. Der Sulfur begreift in sich eine gesalzene und mercurialische Substanz. Der Mercurius begreift in sich eine sulfurische und gesalzene Substanz. Aber es behält ein jedes seinen Namen, von welchem es am meisten participiert. Von diesen allen ist insonderheit in meinem „Chymischen Garten-Bau“ ausführlicher gemeldet.“

(Michael Crügner, 1654)

Originaltitel: „Michaelis Crügneri Neu vermehrter chymischer Frühling, das ist: Sonderbarer medico-chymischer Tractat, sambt einer astrologischen Continuation, die Gewächse zu samblen und zu gewissen Kranckheiten recht zu bereiten : darinnen ... dargethan wird, welches nicht allein irrige Meinungen und falsche Processe, sondern auch im Gegentheil, richtige, kurtze und waare Processe, mit sonderbaren Handgriffen, auch beygefügtem Gebrauch und Nutz gewiesen wird .... Welchen vorher gesetzet Informatorium medico-chymicum oder Unterricht, was ein recht chymischer oder hermetischer Medicus sey und was von ihm erfordert werde.“