Aus: Johann Agricola – Chymische Medicin: Agricola besucht Ägid von der Wiesen, einen direkten Schüler des Paracelsus, im oberösterreichischen Traunsteingebiet:


„Ich habe einen Laboranten gekannt, der hieß Ägidius von der Wiesen, der war viele Jahre des Paracelsi Famulus gewesen, der wohnte dazumal im Gebirge im Land ob der Enns. Mit dem hab ich gute Kundschaft gehabt und gar sehr viel mit ihm discurriert, wie er denn ein Mann von guten Discursen und feiner Discretion war. Er sagte mir im Vertrauen, daß Paracelsus öftermals seinen Discipulis allerlei Erz unter die Hände gegeben, daß er aber selbst, während er bei ihm war, nichts Sonderliches gearbeitet hätte; nur daß wenn sie (seine Schüler) etwas verfertiget, dann hätten sie es ihm überantworten müssen, davon hätte er wieder Mixturen gemacht und ihnen ferner zu arbeiten gegeben. Er (Paracelsus) aber hätte einen verschlossenen Ofen gehabt, darinnen waren unterschiedliche Phiolen gestanden, da hätte niemand dazukommen können noch wissen mögen, was für Materialia er darinnen gehabt. Er (Ägid) könnte aber leicht erachten, was er müßte unter Händen gehabt haben.

Sagte ferner, er (Paracelsus) hätte ihm einmal einen Proceß von dem Antimonio zu laborieren gegeben, darinnen hätte er 16 Wochen gearbeitet, und als es verfertigt worden, hätte ers ihm zugestellt. Da hätte Paracelsus diese Worte gebraucht: „Ägidi, wenn du wüßtest, wie du jetzt gearbeitet, nimmermehr würdest du es mir gegeben haben.“

Ich habe mich oft über ihn (Ägid) verwundert, weil er ein Mann in einem hohen Alter war. Er war aber so gerade und frisch, als etwa ein Mann von dreißig Jahren, daß er also in dem Gebirge in der Einöde gar allein wohnte. Ich hatte meine Gedanken, er müßte ein heimliches Kunststücklein haben, das er laborierte, denn er lebte im Essen und Trinken trefflich wohl und war in seinem Hause alles wohl ausgeputzt und ein schöner Vorrat darinnen. War auch am Geld kein Mangel zu spüren, war kostfrei, und wer auch zu ihm kam, dem tat er alles Gutes, wie er denn auch mein besonderer Freund war. Und wenn ich zu ihm kam, konnte ich in drei Tagen nicht wieder von ihm kommen, und ich hörte oft wunderliche Historien von dem Paracelso, was der oft vorgenommen und wie er gelebt und was für gewaltige Curen er verrichtet. Ich wollte gleichwohl nichts entbehren, daß ich dieses Mannes Kundschaft nicht gehabt hätte, denn ich viel und mancherlei Sachen von dem Paracelso erzählen gehöret. Denn es schreiben ihrer Viele gar närrische Sachen und fast unglaubliche Dinge von ihm, daß ichs doch viel besser weiß. Wenn er (Paracelsus) sich etwas zu tun vorgenommen, habe er fast weder gegessen noch getrunken, bis ers vollendet. Alsdann, wenn er wieder Zeit gehabt, da ist er gemeiniglich lustig gewesen etc. Und dergleichen Sachen hat er mir oft einen halben Tag lang erzählt.“

(gekürzt nach: Johann Agricola – Chymische Medicin, 1638/39, NA Vlg. Oliver Humberg 2000)