„Willst du jetzt ruhen?“ fragte ich. „Du ruhig schlafen“, sagte er, „ich wenig, wenig mit Feuer sprechen, nicht so gut gelaunt Feuer heute, schlechtes Weib Feuer, mal ein bißchen mit ihr reden.“ „Kann denn Feuer reden?“ Mein neuer Freund lachte. „Nichts größer als Feuer“, sagte er, „Feuer sehr viel Kraft, hält ungute

Geister fern, kann auch gefährliche Geister vertreiben, schau genau hin, Feuer außen alte Frau, weißes Haar, viele Zungen, sehr geschwätzig. Feuer innen junges Herz, rotes Blut, sehr stark.“ „Könnt ihr altes Feuer jung machen“, fragte ich. „Etwas Bärenfett hinein“, sagte der Orotschon, „dann Feuer blutrot und ganz zufrieden, Feuer immer hungrig. Gut genährt, sehr gutes Mädchen. Nie allein lassen. Feuer liebt etwas Gesellschaft. Ganz allein böses Weib. Ohne Fett und ohne Holz – dann vielleicht spazieren, dann ganzer Wald Feuer.“ „Und ihr sprecht mit dem Feuer?“ „Rotes Weib schwatzt gerne. Feuer hier, Feuer da. Beide wenig, wenig unterhalten. Schließlich tanzen sie zusammen. Gebt mal etwas Schmalz.“ Er strich es auf ein Stückchen Holz und warf es in die Glut, daß die Funken sprühten. „Rotes Mädchen lacht.“ Der Tunguse rieb sich die Hände.

Ivar Lissner (1909 – 1967), >So lebten die Völker der Urzeit<



 

Anregung zur Korrektion von Altersvorstellungen der mündlich-praktischen naturkundlichen Traditionen aus einem Hinweis des bedeutenden Historikers, Orientalisten und Alchymieforschers Julius Ruska:

 

„Ich müßte aber auf einen anderen Umstand hinweisen, der für eine umfassende Geschichte der Chemie und Mineralogie noch schwerer ins Gewicht fällt, als die Schwierigkeiten der Texte: Auf den oft so großen zeitlichen Abstand zwischen dem ersten Auftreten technischer Errungenschaften – beispielsweise in der Metallurgie, der Glastechnik, der Farbengewinnung – und ihrer literarischen Erwähnung oder gar theoretischen Deutung.

Die archäologischen Funde erzählen uns von einer bewundernswerten Technik und Beherrschung des Stoffes, lange bevor es jemandem einfällt, darüber Bücher zu verfassen oder über das Wesen der Metalle nachzugrübeln. Die Erfahrungen der Berg- und Hüttenleute, der Handwerker und Künstler sind vielleicht Jahrtausende älter als die ersten Berichte darüber.

(...) es ist mehr das Gewand von Schrift und Sprache, als der Inhalt, der die Wissenschaft der verschiedenen

Völker bis zum Beginn der modernen Entwicklung voneinander trennt und den Zugang erschwert.“

Julius Ruska, „Die Mineralogie in der arabischen Literatur“ 1913

Wenn wir lernen, die begrifflichen Differenzen zwischen den sogenannten „traditionellen“ Systemen der Natur-, Heil- und Menschenkunde zu definieren und die oft verwirrend vielfältige Einfärbung ihrer Perspektiven, welche oftmals von religiösem, nationalem oder kategorischem Dogma in der Über-lieferung, wie auch von ethnotypischem Zugang und regionalspezifischen Gegebenheiten herrühren, zu überwinden, werden gemeinsame klare Strukturen erkennbar.

P. H.